Je besorgter die Eltern, desto grösser die Anziehungskraft
«I gah hütt Abe vor d Halle. Alli andere sy o dert.» Wenn
der 14-jährige Sohn, die 15-jährige Tochter diesen Satz zum ersten Mal beim
Nachtessen einfliessen lässt oder in den Familienchat schreibt, kann man sicher
sein, dass der Erziehungsalltag gerade die nächste Schwelle erreicht. Die
Reitschule! Der Pegel elterlicher Besorgnis schnellt in die Höhe, gleichzeitig
fühlt sich der pubertierende Nachwuchs erwachsener denn je.
Diese Konfliktkonstellation dürfte sich nach den Krawallen der letzten zehn Tage in vielen Familien in der ganzen Region verschärft haben. Aber ausgerechnet dieses Wochenende wollen die eigenen Söhne und Töchter unbedingt an ein Konzert im Dachstock der Reitschule oder Friends treffen vor der Halle. Sie sehen null Probleme – auch darin nicht, mit dem letzten Tram, der letzten S-Bahn nach Hause zu fahren oder im Notfall den Moonliner zu nehmen. Minderjährig? Wo ist das Problem? Alle andern tun es ja auch.
Brummendes Jugendzentrum
Alle andern tun es auch? In diesem Fall ist der beliebteste Jugendlichen-Satz in Verhandlungen mit ihren Eltern nicht an den Haaren herbeigezogen. Der Verband offene Kinder- und Jugendarbeit Kanton Bern (Voja) hat Erhebungen gemacht, die zeigen, dass von den rund 19 000 Jugendlichen zwischen 15 und 19 in der Region Bern rund 10 Prozent regelmässig einmal pro Wochenende nach Bern in den Ausgang fahren. Die beliebtesten Treffpunkte sind Grosse Schanze, Innenstadt, die Aare – und natürlich der Vorplatz vor der Reitschule. «Da kommt schon ziemlich viel jugendliches Volk zusammen», macht Jonathan Gimmel, Voja-Präsident und Worber SP-Gemeindepolitiker, deutlich.
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