Wo gehts hier zum Museum?
Die Berner Museen erhoffen sich dank ihrem Mammutprojekt Museumsquartier mehr Publikum. Unser Touristentest zeigt: In der Vermarktung gibt es noch Luft nach oben. Viel Luft.
Eine Touristin aus der Ostschweiz betritt das Tourismusbüro im Bahnhof Bern. «Ich möchte ins Museum, was raten Sie mir?» Die Mitarbeiterin hat einen Tipp: «Am besten gehen Sie zum Kunstmuseum, das ist nur fünf Minuten von hier.»
Die Gehdistanz als Argument? Die Frau am Schalter hat offensichtlich wenig Ahnung vom Ausstellungsangebot in Bern. Die Journalistin, die sich als Touristin ausgibt, kann ihr trotz mehrmaligem Nachhaken keine profunde Information entlocken.
Immerhin kann die Angestellte von Bern Welcome – die Organisation koordiniert das ganze Tourismusangebot – ein paar Häuser aufzählen. «Im Kirchenfeld hat es mehrere Museen.» Die Angestellte zückt eine Broschüre und zeigt auf eine Abbildung des Quartiers. Dort hebt sie das Einstein-Museum im Historischen Museum hervor sowie das Museum für Kommunikation. «Das ist sehr interaktiv und auch für Kinder spannend.» Sie drückt dem «Gast» aus dem Thurgau noch das Leporello mit den aktuellen Ausstellungen in die Hand.
Wo gehts zur Einheit?
Ist Bern fit für den grossen Wurf? Im Kirchenfeld soll ein Museumsquartier entstehen. Eine Machbarkeitsstudie schlägt eine Investition von 250 Millionen Franken zur Aufwertung der Museumslandschaft vor. Von der Kunsthalle über das Historische Museum bis zum Museum für Kommunikation sollen die Häuser zu einer attraktiven Einheit zusammenwachsen. Zwar als Museen, die eigenständig bleiben, aber die gemeinsam auftreten.
Doch mit der baulichen Attraktivitätssteigerung sind die
hochgesteckten Ziele – die Verdoppelung der Eintritte – wohl nicht zu
erreichen. Das hat auch Jonathan Gimmel, Stiftungsratspräsident von Kunstmuseum
Bern und Zentrum Paul Klee, in dieser Zeitung betont: «Wir müssen radikal
benutzerorientiert denken. Das sollte selbstverständlich sein, aber da hinken
wir in Bern hinterher.» Seine beiden Museen liegen zwar nicht im Kirchenfeld,
sind aber daran interessiert, dass die Museen enger zusammenarbeiten in der
Vermarktung.
Museum Card harzt
Nun gut,
womöglich ist die Institution Tourismusbüro etwas aus der Zeit gefallen. Wie
sieht es mit den Informationen im Internet aus? Wer «Museum» und «Bern»
googelt, kommt rasch auf die Website von Museen Bern. Kurz und bündig sind die
aktuellen Ausstellungen beschrieben. Relativ rasch stösst man auf das
gemeinsame Angebot, vertrieben über Bern Welcome: die Museum Card, die man als
Tages- oder Zweitagespass beim Tourismusbüro beziehen oder im Netz bestellen
kann. 28 oder 35 Franken bezahlt man für 24 respektive 48 Stunden Eintritt in
alle Berner Museen. Ansonsten kann man online keine Tickets kaufen, auch nicht
auf den Websites der Museen.
Jakob Messerli, Direktor des Bernischen Historischen Museums und zugleich Präsident des Vereins Museen Bern, gesteht: «Beim Ticketing gibt es Luft nach oben.» Die Frage sei: «Wie sehen überhaupt die Bedürfnisse von Kulturtouristen aus?» Die Museum Card finde «bisher noch recht bescheidenen» Absatz. Es sei auch nicht sicher, ob Touristen den Onlineticketkauf der Museumskasse vorziehen. Dennoch ist ihm klar: «Es geht in Richtung Digitalisierung. Und da gehören wir sicher nicht zu den Vorreitern.» Gleichzeitig verteidigt er die heutige Vermarktung der Museen. «Wir tun einiges», sagt er und nennt als Beispiele die Museen-Bern-Website, den Newsroom sowie die Printprodukte. Dass im guten alten Tourismusbüro jedoch die Information eher spärlich fliesst – «das nehme ich nicht sehr erfreut zur Kenntnis», sagt Jakob Messerli.
Welches Museum ist denn ein absolutes Muss in Bern? «Das
Einstein-Museum und das Einstein-Haus in der Altstadt finde ich persönlich sehr
spannend», meinte die Frau am Schalter im Berner Bahnhof. Das Zentrum Paul Klee
erwähnte sie zwar am Rand, doch sie riet von einem Besuch eher ab. «Das liegt
halt etwas ausserhalb des Zentrums, man muss den Bus nehmen.»
Zum Artikel (Berner Zeitung, Michael Feller, Mirjam Comtesse, Abo+): Wo gehts hier zum Museum?