«Es kommt niemand auf die Idee, eine Blinde nach dem Weg zu fragen»
Ausser man tut es.
Interview INNOarchitects mit Antonella Zanatta, die seit Geburt stark sehbehindert ist.
«Mila» ist eine App, welche im Rahmen der «Smart City Initiative» der Stadt Bern in einem BoostCamps entwickelt wurde und blinde und sehbehinderte Menschen unter anderem bei der räumlichen Orientierung unterstützen soll. Im Interview erzählt Antonella Zanatta von ihren Erlebnissen beim Testen des ersten Prototyps und zeigt auf, dass die Welt von Blinden und Sehenden im Endeffekt weniger weit auseinanderliegt als oftmals gedacht.
Um herausfinden zu können, ob ein Bedürfnis nach einem Produkt oder einer Dienstleistung besteht oder nicht, ist es essenziell möglichst früh mit potenziellen Kund*innen zu sprechen. Um dies zu bewerkstelligen, ist eine Regel von zentraler Bedeutung: «Get out of the building» oder im Falle von Antonella Zanatta, die seit Geburt stark sehbehindert ist, «Get people into your building».
Du hast heute «Mila», eine neue App, welche speziell für blinde und sehbehinderte Menschen entwickelt wird, getestet. Wie hast du diesen Testlauf empfunden?
Zuerst habe ich kurz gedacht «Hilfe, wie genau muss ich das Tool jetzt anwenden?». Gewisse Dinge auf dem Weg zum INNOSpace kannte ich schon: Ich kannte den Bahnhof in Wabern und auch den Weg vom Tram bis zum INNOSpace mehr oder weniger. Und doch fand ich es genial, wie simpel und einfach das neue Tool funktioniert und wie zielsicher es mich zum INNOSpace führte.Ich finde es gut, dass ihr in euren Prozessen die Produkte und Dienstleistungen schnell mit Kunden testet. Vor allem im Behindertenbereich ist dies nicht immer der Fall. Oft wird über die Behinderten und nicht mit den Behinderten gesprochen. In Wahrheit sind wir die Experten, daher ist es wichtig, direkt mit uns – dem Endnutzer sozusagen – zu sprechen. Solange dieses Denken in unserer Gesellschaft nicht aufhört, wird Integration leider nie funktionieren. Ein simples Beispiel: Wie viele Menschen fragen mich im Alltag nach dem Weg? Dabei könnte ich jemandem den Weg völlig detailliert erklären. Es kommt niemand auf die Idee, eine Blinde zu fragen, ausser vielleicht ein Tourist, der wirklich verloren ist. Der Gedanke ist grundsätzlich «Behinderte brauchen Hilfe». Dass ich auch Kompetenzen habe, geht oft vergessen. Mir scheint, viele Menschen versuchen zu bemüht, für uns zu denken, doch unsere Welt ist nicht anders als die eure. Wir brauchen lediglich einige Tricks und Hilfsmittel, um den Alltag mit unserer Behinderung zu leben. Darum ist es der richtige Ansatz, dass ihr direkt mit den Betroffenen sprecht.
Zum vollständigen Interview mit innoarchitects.ch.
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