«Viel Licht, bitte, viel Tageslicht»
Eine hochkarätige Runde versuchte im Kunstmuseum Antworten zu finden auf die Frage, wie das Museum der Zukunft aussehen könnte – vielleicht wie eine säkulare, alle ansprechende «Kathedrale»?
Draussen war es heiss, drinnen im Atelier-5-Bau schön kühl. Draussen auf dem Waisenhausplatz pries SVP-Präsident Albert Rösti, bewacht von Polizei in Kampfmontur wegen eines angeblich gewaltbereiten Mobs, Ständeratskandidat Werner Salzmann als «topausgebildeten» Mann der Zukunft, der die Bedürfnisse von Stadt und Land bestens kenne und deshalb zwingend ins Stöckli gehöre.
Drinnen wurde auf dem Podium zum Thema «Das Kunstmuseum der Zukunft» etwas gar wenig über die geplante Erweiterung des Museums und etwas gar viel über Digitalisierung und die Bedeutung von Kulturvermittlung gesprochen, ehe Berns Stadtpräsident verriet, welches sein Lieblingsmuseum sei – ein Ort, an dem Austausch und Offenheit gelebt werde und wo er sich zu Hause fühle. Man spitzte die Ohren. Nein, dieses Museum steht (noch) nicht in Bern, sondern etwas ausserhalb von Kopenhagen, in traumhafter Umgebung direkt am Öresund: Es ist das Louisiana Museum of Modern Art, das im Ruf steht, ganz nah am Puls der modernen Kunstwelt zu liegen. Unter der Leitung von Marta Kwiatkowski Schenk vom Gottlieb-Duttweiler-Institut diskutierte Alec von Graffenried an der dritten Panelveranstaltung über das Kunstmuseum der Zukunft – nach den Themen «Gegenwartskunst» und «Kunstmeile Hodlerstrasse».
Zauberwort "Flexibilität"
Vertreten waren auf dem Podium neben Berns Stapi auch Hans Ulrich Glarner, der Vorsteher des kantonalen Amts für Kultur, der Kunstsammler Uli Sigg, der Unternehmer Jobst Wagner, seines Zeichens auch Präsident der Stiftung Kunsthalle Bern, und Jörg Schulze, der mit seiner Firma «maze pictures» Museen bei der Digitalisierung berät. «Im Museum der Zukunft steht nicht mehr ein Objekt im Zentrum, sondern der Mensch», prophezeite Hans Ulrich Glarner. Bei der Kuratierung und Vermittlung von Ausstellungen müsse man sich verstärkt am potenziellen Besucher orientieren, befand der oberste Kulturbeamte des Kantons.
Unternehmer und Kunstmäzen Jobst Wagner erinnerte daran, dass rund 80 Prozent aller Kunstwerke in den Museen «nie das Tageslicht» sehen. Hier könne eine digitale Präsentation Sinn machen; gleichzeitig forderte er auch dazu auf, «disruptiv» zu denken und die Kunstdepots in einem Neubau mehr einzubeziehen. Ein Votum aus dem Publikum zielte in die gleiche Richtung: Das «Heiligtum Depot» solle zumindest teilweise «entweiht» werden und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
Der Kunstsammler Uli Sigg, dessen Sammlung chinesischer Gegenwartskunst den Grundstock des Museums M+ in Hongkong bildet, brach eine «Lanze für das physische Museum» und sprach von einer säkularen «Kathedrale» für unsere Zeit. Zentral sei indes eine gewisse Flexibilität, ja Offenheit in der Architektur für grosse Kunstwerke, raumgreifende Installationen und interdisziplinäre Projekte, betonte Sigg: «Wir wissen nicht, wie die Menschen in 30 Jahren Kunst präsentieren und konsumieren werden.»
Hans Ulrich Glarner nahm den Ball auf und wünschte sich einen «ikonischen Zweckbau». Er bekannte, er sei kein Fan von Museen mit monumentalen Auftritten, die hauptsächlich aus Treppenhäusern bestünden. Überhaupt war Glarner der Mann mit den einprägsamsten Beiträgen. Das Museum als analoger Ort sei umso wichtiger, lautete eine seiner Maximen, «je ausgeklügelter und raffinierter die digitalen Präsentationen werden». Er wünscht sich einen Neubau mit «viel Licht, bitte, viel Tageslicht» wie bei der Fondation Beyeler, «wo man auch mit der Umgebung in einen Dialog treten kann».
Einig war man sich weitgehend, dass die Digitalisierung und das Museum als analoger Ort der Begegnung und des Austausches keine Konkurrenz darstellen und nicht gegeneinander ausgespielt werden sollten, sondern einander vielmehr bedingen. Sogar Digitalexperte Jens Schulze riet dem Kunstmuseum, «seine analoge Marke weiterzuentwickeln, um zukunftsfähig zu sein».
«Der Wunsch ist formuliert»
Die Eindrücke der drei Podiumsdiskussionen, die Ergebnisse von Workshops und Antworten einer Online-Umfrage werden nun ausgewertet. Bekanntlich gibt es drei Varianten: die (wenig wahrscheinliche) umfassende Sanierung des Atelier-5-Baus, ein Neubau oder, zusätzlich zu Sanierung oder Neubau, der Einbezug bestehender Bürogebäude der Polizei, die bis 2026 nach Niederwangen umgezogen sein wird. Die Resultate werden am 10. September der Öffentlichkeit vorgestellt. Zu diesem Zeitpunkt soll auch die Finanzierung klar sein, sprich: die Unterschrift von Milliardär Hansjörg Wyss präsentiert werden, der 20 Millionen Franken für einen Neubau in Aussicht gestellt hat. Der Architekturwettbwerb soll Ende 2019 lanciert werden.
Eine Dame aus dem Publikum wurde von Alec von Graffenried schliesslich noch beruhigt. Sie forderte vehement eine Belebung der Hodlerstrasse für die Menschen und eine Öffnung der Fassade des Kunstmuseums. «Dieser Wunsch ist so formuliert», sagte von Graffenried lächelnd, «man soll künftig auf Strassenniveau das Museum betreten können.»
Zum Artikel (Der Bund, Alexander Sury): «Viel Licht, bitte, viel Tageslicht»